„Früher erschien es mir hier viel lauter“, beschreibt Jörg Lottmann, IT- und Systemadministrator im Werk Emden das Geschehen und erläutert: „Heute arbeiten wir mit einem wellenförmigen Prozessablauf, bei dem Verformung und Transport der Teile nahtlos ineinander greifen.“ Dieser Prozess läuft vollautomatisch in einem rundum geschlossenen Bereich ab. Nach dem Zuschnitt der Bleche in einem ersten Arbeitsgang an der Platinen-Schneidanlage werden diese mit fahrerlosen Transportfahrzeugen (FTF) an den Lader der Pressenstraße angeliefert. Dort sorgen zunächst zwei Entstapelroboter dafür, dass das laufende Fördersystem taktgerecht mit den Blechplatinen versorgt wird. „Die Verformung zum endgültigen Bauteil erfolgt in sechs Stufen, wobei jeweils maximal bis zu vier Pressteile pro Hub erzeugt werden können“.
Faszinierend ist dabei das fließende Zusammenspiel zwischen Pressen und Transportsystemen. Sobald ein Presswerkzeug nach oben fährt, greift sich die Transporteinrichtung (Transfer) das Teil und positioniert es unter die nächste Presse, die sich in diesem Augenblick bereits wieder auf dem Weg nach unten befindet. Diese Zeit sparenden, nahtlos ineinandergreifenden Prozessschritte machen die beiden Pressenstraßen so produktiv.
Von Grund auf mehr Sicherheit
Als vor drei Jahren die Retrofit-Maßnahmen an den Pressenlinien begannen und auch die Hauptantriebstechnik von Gleich- auf Drehstromtechnologie umgestellt wurde, entschloss man sich in Emden, parallel dazu auch das Kommunikationssystem auf den neuesten Stand zu bringen. Das Automationssystem im Werk Emden entsprach dem weltweiten Volkswagen Standard und beruhte vor allem auf Simatic S7-300 Controllern, Simatic ET 200 IO-Systemen und Simotion Motion Control-Systemen. Es war also bereits umfangreiches Siemens Know-how vorhanden und der Gedanke lag nahe, auch beim Umbau der Netzwerk-Infrastruktur wieder Siemens mit ins Boot zu holen.
Redundantes Netzwerk
Das Ergebnis war ein grundlegend neuer Aufbau der vorhandenen Netzwerkstruktur. Gab es früher eine ringförmige Topologie mit nur einem Ring, setzt sich das System im Presswerk jetzt aus 14 redundant ausgelegten Ringen zusammen. Außerdem wurde ein Industrial Backbone auf Basis von Scalance XR-500 eingerichtet, der den gesamten Datenverkehr über mehrere ebenfalls redundant ausgelegte Subnetze mit Routing-Mechanismen steuert.
Die Vorteile dieser Infrastruktur sind offensichtlich: Ausfälle einzelner Komponenten wirken sich immer nur auf Teilbereiche des Netzwerks aus. „Die Gefahr, dass der gesamte Prozess zum Stehen kommt, weil die Daten nicht mehr fließen, tendiert gegen null“, so Jörg Lottmann im Rückblick auf die bisherigen Erfahrungen.
Die uneingeschränkte Echtzeit-Kommunikation über Profinet wird durch ein durchgängig redundant ausgelegtes Netzwerk aus mehreren 100 Mbit/s-Subnetzen erreicht. Im Mittelpunkt stehen dabei insgesamt 95 Industrial Ethernet Switches der Produktfamilie Scalance X von Siemens mit FastConnect-Anschlusstechnik für RJ45, M12 oder Lichtwellenleiter.
Gewissermaßen die oberste Ebene bilden zwei Scalance XR528-6M managed Industrial Ethernet Switches mit Diagnosemöglichkeit über Profinet-Anbindung zu Netzwerk-Managementsystemen und integriertem Redundanz-Manager. Sie sind untereinander mit einer schnellen 1GBit-Leitung in Glasfaser-Technik verbunden.
Profinet für durchgängige Kommunikation
Während die Struktur des neuen Netzwerks vor allem mehr Funktionssicherheit brachte, war die Umstellung der gesamten Kommunikation im Presswerk auf Profinet eine echte Weichenstellung für die Zukunft. Profinet, der offene Ethernet-Standard für die Automatisierung, erlaubt einen transparenten Informationsfluss, der von der Leitebene über die S7-300 Controller und ET 200 IO-Systeme bis hin zum einzelnen Feldgerät reicht.
Das Stichwort dazu heißt Condition Monitoring und zeigt sich in Form eines neuen Monitoring Servers, der nichts anderes macht, als ständig die einzelnen Feldgeräte, Switches, Router und Antriebe zu überwachen. Diese Komponenten der Produktionsanlage liefern permanent eine Fülle an Informationen, die Auskunft über ihre Funktion und ihren allgemeinen physikalischen Zustand geben.
„Wir sind dabei, diese Datenfülle gezielt auszuwerten und konkrete Erfahrungen über das Langzeitverhalten der einzelnen Komponenten des Systems zu sammeln,“ erläutert Lottmann die aktuelle Situation: „Ziel ist der Aufbau eines Systems zur präventiven Wartung, das es uns erlaubt, entstehende Probleme zu antizipieren, Fehlerketten zu erkennen und auszuschalten und ungeplante Anlagenstillstände weitgehend zu vermeiden.“
Volkswagen setzt dafür in Emden unter anderem das Siemens Condition Monitoring-System Siplus CMS 4000 ein, das mit X-Tools arbeitet. Siplus CMS X-Tools enthält eine umfangreiche Funktionsbibliothek für die Analyse, Diagnose und Überwachung von Antrieben, sowie Zustandsindikatoren wie Schwingungen, Luft- und Ölverbrauch.
Aus einer Hand, aus einem Guss
Die Umsetzung einer komplett neuen Netzwerklösung ist natürlich alles andere als eine triviale Aufgabe. Ganz besonders, wenn sie weitestgehend während der laufenden Produktion erfolgen muss und nur wenige kurze Zeitfenster mit komplettem Anlagenstillstand zur Verfügung stehen. Bei Volkswagen in Emden setzte man dabei auf die schon seit vielen Jahren bewährte Zusammenarbeit mit Siemens.
Die Netzwerk-Spezialisten von Siemens übernahmen nicht nur die gesamte Konzeption und Planung der neuen Netzwerklösung, sondern auch die komplette Implementierung vor Ort. So wurde zum Beispiel das Routing der zahlreichen Glasfaser- und Kupferleitungen über mehr als 100 Scalance X-Switches verschaltet. Im Werk Emden setzt Volkswagen erstmals Scalance XR-500-Komponenten von Siemens ein. Die in Emden gemachten Erfahrungen wurden dokumentiert und fließen auch an anderen Standorten ein.
Jörg Lottman zeigt sich zufrieden mit der neuen Netzwerklösung im Pressenbereich des Volkswagen Werkes Emden: „Seit der Umstellung auf die neue Netzwerkstruktur mit Scalance-Switches gab es noch keinen Ausfall wegen Netzwerkproblemen“, lautet seine Aussage.
Beste Aussichten für höchste Verfügbarkeit
Als Volkswagen vor rund drei Jahren am Standort Emden begann, das komplette Netzwerk im Presswerk auszuwechseln, erreichte man nicht nur eine deutlich höhere Betriebssicherheit der gesamten Kommunikations-Infrastruktur. Die damit verbundene Umstellung auf Profinet stellte auch die Weichen für ein umfassendes Condition Monitoring-System, das die gesamte Anlage transparent bis hinunter zu jedem einzelnen Sensor, Aktor und Antrieb macht. Siemens installierte dafür eine Netzwerkstruktur aus einer Routing-Ebene und mehreren Subnetzen, für die über 100 Scalance X-Switches eingesetzt wurden. Zur kontinuierlichen Überwachung des gesamten Systems wurde ein spezieller Monitoring Server eingerichtet, auf dem das Condition Monitoring-System Siplus CMS 4000 läuft. Die damit gewonnenen Einblicke in Zustand und Performance des Systems lassen sich unter anderem für eine gezielte präventive Wartung nutzen.